„ERNTEDANK“
Klaus trägt eine große Tüte.
Man sieht, dass sie schwer ist. „Was schleppst du denn da?“ fragt Volker.
Klaus setzt die Tüte vorsichtig ab und antwortet: „Dreimal darfst du raten.“
„Hm, sieht aus wie ein großer Fußball“, meint Volker. „Aber der ist ja nicht so schwer.“ Klaus lacht. „Das ist es auch nicht. Es ist ein Kürbis.“
„Ein Kürbis?“ ruft Volker überrascht. „Warum trägst du den denn spazieren?“
„Den bring ich in die Kirche.“
„Du heiliger Bimbam! Wohin?“ „In die Kirche. Morgen ist doch Erntedankfest.“
Ja, Volker erinnert sich. So etwas stand auf dem Kalender. Und ihm fällt ein, dass an diesem Tag viele Leute in die Kirche gehen.
Aber was in aller Welt soll der Kürbis in der Kirche?
Klaus versucht, es ihm zu erklären.
„Am Erntedankfest danken wir doch Gott dafür, dass er uns eine gute Ernte geschenkt hat. Und als Dank dafür bringt jeder etwas davon mit in die Kirche. Ich bringe eben den Kürbis. Warum nicht?“
„Was soll denn die Kirche damit? Die braucht doch keinen Kürbis.“
„Nein, die Kirche nicht. Aber alle Früchte, die am Erntedanktag den Altar geschmückt haben, werden nachher an Leute verteilt, die selber nichts haben und sich auch nicht so viel kaufen können.“
Das leuchtet Volker ein.
Aber als Klaus weitererzählt, wie sie in der Kirche Gott loben, weil er alles hat wachsen lassen, und weil er Sonne und Regen geschickt hat, protestiert er: „Aber manchmal ist das Wetter ganz verkehrt. Dann ist es zu trocken. Und wenn wir dann im Garten nicht gießen, geht alles ein. Aber ich muss gießen oder Mama oder Papa, das macht Gott doch nicht.
Oder hast du Gott schon mal mit der Gießkanne gesehen?“
Klaus muss lachen. „Gott kann man doch nicht sehen. Aber wenn er nicht will, dass etwas wächst, dann könnt ihr so viel gießen wie ihr wollt. Es kommt trotzdem nichts.“
„Wenn ich nicht will, dass etwas wächst, kommt auch nichts.“
„Wieso?“
„Na, wenn ich deinen Kürbis ausgerissen hätte, als er noch ganz klein war, was dann? Der wäre nicht weitergewachsen. Da hätte Gott sonst noch was machen können.“
„Rausreißen kannst du. Aber wachsen lassen nicht.“
„Na gut, das stimmt vielleicht“, sagt Volker. „Aber trotzdem verstehe ich nicht, was Gott damit zu tun haben soll. Schließlich wächst alles von allein, wenn es nur die richtige Erde hat und schön begossen wird.“
„Ich glaube aber, dass Gott dabei hilft. Und dafür bedanke ich mich morgen.“
„Naja, schließlich kann jeder glauben was er will“, meint Volker. „Ich gehe jedenfalls morgen nicht in die Kirche.
(aus Vorlesebuch Religion 3, Gisela Schütz)